Nach einem Kreuzbandriss, einem Schlaganfall oder bei Osteoporose brauchen Patientinnen und Patienten nicht nur eine ärztliche Behandlung, sondern häufig auch ein medizinisches Hilfsmittel, eine sogenannte Orthese. Wie aber werden sie mit diesem Hilfsmittel versorgt? Wir haben nachgefragt.
Es gibt Orthesen für das Knie, den Fuß, den Daumen, die Hand, den Arm, die Schulter, den Rücken, den Hals oder die Hüfte. Eine Orthese umschließt das betreffende Körperteil, sie stützt und stabilisiert, lindert Schmerzen und entlastet. Wie, Herr Kreuzer, gehen Sie vor, wie arbeiten Sie?
Bei mir läutet oft das Telefon, ich bin viel unterwegs und versorge den ganzen Tag Patienten. Schon in der Früh bekomme ich die ersten Anrufe aus dem Klinikum Klagenfurt und aus verschiedenen Pflegeheimen. Ich erfahre also, welche Orthesen von Ärzten verordnet wurden und benötigt werden. Dann mache ich mir einen Plan, packe alles in mein Auto und fahre los. Viele Orthesen gibt es in einer Serienausführung. Diese vorgefertigten Produkte passe ich dann am Patienten an. Es kann aber sein, dass ein Produkt nicht alle Ansprüche erfüllt. Dann wird in unserer hauseigenen Werkstätte eine individuell angepasste Orthese hergestellt.
Sie haben vor knapp 30 Jahren den Beruf des Bandagisten erlernt. Heute sagt man Orthopädietechniker dazu. Wie kommt ein junger Mann auf die Idee, Bandagist zu werden?
Ich habe nach der Schule zuerst eine Lehre zum Elektromechaniker gemacht und acht Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Aber irgendwann hat es mich nicht mehr interessiert, immer nur Maschinen zu reparieren. Ich wollte mit Menschen arbeiten. So habe ich mich entschlossen, noch einmal ganz von vorne zu beginnen.
Sie haben mit Patientinnen und Patienten aller Altersstufen zu tun. Bei den jüngeren ist es oft so, dass sie nach einem Unfall oder einer Verletzung eine Orthese bekommen, die sie für einige Wochen tragen. Bei den älteren geht es häufig um altersbedingte Abnützungen, chronische Erkrankungen oder Fehlstellungen.
Heute war ich bei einer etwa 80-jährigen Patientin, die eine starke O-Bein Stellung hat. Bei ihr wird mit einer Knieorthese das Knie stabilisiert, damit sie sich ihren momentanen Zustand erhalten kann und nicht immobil wird. Denn wenn jeder Schritt nur noch schmerzt, steht die Patientin eines Tages gar nicht mehr auf. Unser Ziel ist es, dass sie mobil bleibt und am Alltagsleben teilnehmen kann.
Die Osteoporose, auch bekannt als Knochenschwund, zählt zu den häufigsten Erkrankungen im Alter. Typisch dafür ist der Rundrücken. Bei der Behandlung dieser Alterserkrankung, von der Frauen häufiger betroffen sind als Männer, wird eine Rückenorthese eingesetzt.
Die Patientinnen werden mit einem speziellen Rückenmieder versorgt, genannt Spinomed, damit diese Rundrückenbildung so gut wie möglich verhindert wird. Die Patientin richtet sich mit der Orthese selbst auf, die Rückenmuskulatur wird aktiviert und das Atmen erleichtert. Die Orthese soll täglich ungefähr zwei Stunden getragen. Das lohnt sich. Denn wenn es zu einer starken Rundrückenbildung kommt, können die Patientinnen gar nicht mehr geradeaus schauen. Sie schauen auf den Boden, die Gefahr zu stürzen ist viel höher, denn die Hindernisse werden erst im letzten Moment gesehen. Es geht also darum, den Körper aufrecht zu halten, Stürze zu vermeiden und das Leben so lebenswert wie möglich zu erhalten.
Sie kommen zu den Menschen, die im Pflegeheim sind oder gerade im Krankenhaus. Wie gehen Sie an Ihre Arbeit heran?
Es ist mir wichtig, zu hören, was der Patient zu sagen hat und auf ihn einzugehen. Ich möchte ihm verständnisvoll begegnen. Und als Orthopädietechniker will ich die beste Lösung finden, und zwar für den Patienten, aber auch für den Arzt, die Pflegekräfte und Physiotherapeuten. Denn wir arbeiten alle zusammen. Wenn die Orthese optimal angepasst ist, merkt der Patient sofort, dass sich sein Zustand verbessert. Das ist für mich die schönste Rückmeldung.
Sie werden ja immer wieder auch mit Leid und Schmerz konfrontiert. Wie gelingt es Ihnen, damit umzugehen?
Vor vielen Jahren hat mir ein Arzt einmal gesagt: „Wenn du beim Patienten bist, musst du alles geben. Aber wenn du von ihm weggehst, musst du abschalten können.“ Das habe ich mir zu Herzen genommen. Und in meiner Freizeit höre ich gerne Musik und fotografiere Landschaften und Architektur. Das ist für mich ein guter Ausgleich zum Beruf.
Vielen Dank für den Einblick in Ihren Arbeitsalltag.