Vom vierten Kreisverkehr der Hölle und frischgeparkten Lückenbüßern.
Wer sich als Gehender bei der Parkplatzsuche in der Stadt als Gepeinigter fühlt, der war noch nie auf den Rollstuhl bzw. Behindertenstellplätze angewiesen…
„Schreib über alles, was dich umtreibt!“ sagt der Chef und ich freu mir gleich beide lahmen Haxen aus. Ich weiß es in der Sekunde, was mich umtreibt, denn es wundert mich jeden Tag, an dem ich mit insgesamt acht Rädern unterwegs bin. Sprich, im Auto…
Für Menschen wie mich, die beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto etwas „ausladender“ agieren müssen, haben sich diverse Stadtverwaltungen und Straßen-, bzw. Parkplatzplaner und auch die Gesetzgeber darauf geeinigt, Rollstuhlparkplätze einzurichten. Das ist ein netter Zug. Mit einem Rollstuhl selbstständig ins Auto ein- und aussteigen ist nämlich eine Angelegenheit mehrerer Minuten und mit zu wenig Platz nicht nur unmöglich, sondern auch fremdautogefährdend. Lackschäden und so.
Rollstuhlparkplätze sind breiter und meistens auffällig gekennzeichnet, was aber dennoch von vielen pumperlg’sunden Parkern geflissentlich ignoriert wird. Und daher erlebe ich es oft, dass genau jene Parkplätze, auf die ich und viele andere wirklich angewiesen sind mit meinem bzw. unserem zwangsweise komplizierten Aus- und Einsteigverhalten, von Parkern besetzt sind, die sich gesunden Fußes und äußerst behände aus ihren Karossen schälen und dabei so selbstverständlich agieren, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Nun, mein Wässerchen wird allerdings regelmäßig äußerst trübe und ich selbst trübsinnig, wenn mir solch ein flinkfüßiger Parksünder meine leidvoll „verdienten“ 5 x 3,50 Meter raubt.
Meistens reagiere ich mit einem freundlichen Lächeln und einem mindestens ebenso freundlichen Hinweis aus dem offenen Autofenster, weil aussteigen und ruppig werden ist erstens nicht meine Art, zweitens geht das nicht so schnell, wenn man nicht gehen kann, und drittens komme ich mit meinen zusammengefalteten 1,73cm und 50+kg nicht sehr beeindruckend rüber. Manchmal, und zwar meist dann, wenn ich sie gleich nach ihrer Ankunft „erwische“, zeigen die frischgeparkten Lückenbüßer Reue oder heucheln glaubhaft Ahnungslosigkeit, steigen wieder ein und räumen das (Schlacht-)Feld. Dann freue ich mich, dass sie das für mich tun, auch wenn ich weiß, dass intern die Augen gerollt werden. Was ich ja irgendwie eh verstehen kann, denn wer wird schon gern aufgeplattelt und wer sucht schon gern aufs Neue nach einer straffreien Lücke?
Ganz oft aber kommt, besonders von zu ihrem Wagen Rückkehrern, wie aus der Pistole geschossen, der Klassiker: „Ich bin eh nur fünf Minuten da gestanden!“, mehr oder weniger galant garniert mit peinlich berührter, leicht aggressiver Abwehrhaltung. Einmal habe ich sogar einen mehr oder weniger prominenten Lokalpolitiker angetroffen, der mir ebenfalls diese Plattitüde als „Entschuldigung“ serviert hat. Da bin ich dann wirklich grantig geworden, auch wenn es offensichtlich gewesen ist, dass in seinem Fall 3,50 Meter Aktionsbreite vonnöten waren, denn sowohl der Lokalpolitiker als auch sein Wägelchen waren beeindruckend umfänglich.
Ich bin normalerweise bei Gott kein bösartiger oder missgünstiger Mensch, aber seit meiner neuen Lebenssituation im Rollstuhl geht mir wirklich das Geimpfte auf, wenn ich in eine solche Lage gerate. Ich kann es einfach nicht verstehen, warum es manchen Artgenossen komplett egal ist, ob ein Parkplatz für alle oder für beeinträchtigte Mitmenschen zur Verfügung steht. Ich weiß schon, dass die städtische Parkplatzsuche mitunter wirklich einer Gefangenschaft im vierten Kreis(verkehr) der Hölle gleichkommt, aber trotzdem. Laut Dante wälzen dort übrigens Geizige und Verschwender unter großem Geheule schwere Steine. Das passt doch irgendwie. Vielleicht hilft es ja, wenn man kurz innehält, sich vorstellt, dass einem genau dieses Steinwälzer-Schicksal droht, wenn man sich jetzt „eh nur für fünf Minuten“ auf den Rollstuhlparkplatz stellt, und sich dann doch lieber auf die Socken macht, um einen Stellplatz für alle zu finden? Lückenbuße prophylaktisch sozusagen. Das wär doch was, oder? Also ich würde mir beide Haxen ausfreuen.
Übrigens: Meine Bitte gibt’s in Pink zum Nachlesen und Einprägen unter http://freiraum.marx-fruehstueck.at/
(umgesetzt von Florian Frühstück und Vera Polaschegg im Rahmen von c hoch 3 Kärnten 2017)